Aus einem Gespräch mit dem Istanbuler Choreographen und Tänzer Ilyas Odman, der bei „Off Europa: Türkei urban“ am 17. September in Leipzig und am 19. September in Dresden mit seinem Erfolgsstück „Glassteps“ gastieren wird.
Kannst du mit ein paar Sätzen deine Arbeitsbedingungen beschreiben?
Ilyas Odman: Ich bin einer der unabhängigen Künstler in Istanbul der glücklich ist über die Arbeitsbedingungen, und das wegen meiner Strategie, die ich versuche zu erhalten. Ich versuche einfach die Orte an denen ich arbeite in Räume für zeitgenössische Kunst zu verwandeln. Angefangen habe ich in Kargart, einem kleinen Kulturort. Ich produzierte dort Stücke und habe junge Künstler eingeladen aufzutreten. Nachdem das erfolgreich war, habe ich es immer so gehalten. Ich gebe Unterricht, beteilige mich auch an Mainstream-Arbeiten, und mittlerweile habe ich meinen eigenen Bereich wo ich produziere und mit anderen Künstlern Arbeit teile.
Gibt es genügend Nachfrage für Gastspiele im Ausland?
Ilyas Odman: Meine Tourneen ins Ausland sind meine Haupteinnahmequelle. Bis jetzt war ich in Amsterdam, Utrecht, Paris, Turin, Mailand, Bra, Bologna, Catania, Mazedonien, Berlin, Saragossa, Huarte, Antwerpen. In der Türkei sind Istanbul, Ankara und Eskişehir die wichtigsten Städte. Wichtig sind auch die Residenzprojekte zu denen man eingeladen wird.
Wie findest du finanzielle Unterstützung?
Ilyas Odman: Wenn ich nicht im Ausland arbeite, als eingeladener Künstler oder in einer Residenz, habe ich keine finanzielle Unterstützung. Die Regierung, die Kulturverwaltung erkennt uns freie Künstler nicht an, weil wir keine Institution sind – und unterstützt uns nicht.
Du sprachst vorhin – etwas aufgebracht – auf dem Podium über einen „Vorteil in einer Situation der permanenten Benachteiligung“…
Ilyas Odman: Nach der letzten „Attacke“ der Kulturverwaltung auf die Stadttheater ist klar, dass Künstler unter dem Dach einer staatlichen Organisation keine zeitgenössische Kunst machen können. Es gibt keinen Nachteil oder Vorteil mehr unabhängig zu sein – das ist in diesen Tagen die einzige Art Kunst zu produzieren in der Türkei.
Du bist also „frei“ zu tun was du möchtest, aber auch „frei“ von Unterstützung. Denkst du dass deine Arbeit eine andere Authentizität vorweisen kann als die wohl behüteten, oft sehr gut geförderten, clever geplanten Theaterarbeiten im Westen Europas in ihrem oft seltsamen System von Orten, Produzenten, Kuratoren und Stiftungen?
Ilyas Odman: Wir können nicht leugnen, dass es so aussieht als ob die „türkische“ Identität ein neues, charmantes Konzept für den „europäischen“ Kunst-Sektor ist. Die neue Definition der Ränder Europas schafft ein solches Interesse. Das wiederum übt manchmal einen Druck auf die Künstler aus, weil diese fühlen, dass sie gerade zu dieser Identität produzieren sollten.
Die Fragen stellte Knut Geißler im April 2012 in Istanbul