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„Off Europa: Open Hungary“ – Interview im Leipziger KREUZER


Fragen von Jana Nowak und Antworten von Knut Geißler für ein Interview im Heft 5/2018 im Leipziger Kreuzer

Open Hungary – Triumph by Knut Geißler

 

Nach Griechenland steht nun Ungarn im Zentrum – wieso haben Sie sich für dieses Land entschieden?
Knut Geißler: Ich hatte Ungarn, genauso wie zuvor Griechenland, eine Zeit lang vor mir her geschoben. Ich wollte mich sozusagen nicht reflexhaft darauf stürzen. Politische Entwicklungen gehen an den Künsten nicht spurlos vorbei – und manchmal ist es sinnvoll, etwas abzuwarten. Das politische Moment an Off Europa ist am Ehesten, dass es Beschäftigung mit etwas einleitet, dass ein Raum entsteht, der Begegnungen mit einem Land, einer bestimmten Situation, mit Künstlern ermöglicht.

Wie steht es um die Theaterschaffenden in Ungarn? Und im Hinblick darauf, dass fünf von sieben der geladenen Produktionen von Frauen stammen – wie ist es als Theatermacherin dort zu arbeiten?
Knut Geißler: Die Regierung Orbán, und ihre Kulturpolitik, ist auch für Ungarn, die diese ablehnen, nun mal Realität. Es gab viel versuchte Einflussnahme, auf Orte, über neu eingesetzte Personen, und auf der anderen Seite gab es natürlich Widerstand. Eine ganze Generation Theatermacher hat sich an diesen Umständen abgearbeitet, im Moment ist es etwas ruhiger geworden. Die ungarischen Stadttheater stehen natürlich unter deutlich größerem Druck, unter anderer Beobachtung als Künstler, die in freien Konstellationen arbeiten. In diesem Bereich, der überschaubar ist und für eine Regierung wohl auch nicht sonderlich gefährlich, war formal und inhaltlich schon immer mehr möglich. Wie auch diese starken Frauen. Nach denen ich nicht explizit gesucht hatte. Wahrscheinlich ist ein weiblicher Blick auf eine sich „männlich“ gebärdende Gesellschaft immer interessant und ergiebig. Das war bei Off Europa 2012 im Falle der Türkei ähnlich zu beobachten.

Welche Erfahrungen werden in den Arbeiten thematisiert?
Knut Geißler: Die Inszenierung „Magyar akác“ (Ungarische Akazie) zum Beispiel ist hoch politisch, eine Theaterarbeit, die klug und frech und böse mit den Widersprüchen ungarischer Gegenwart spielt. Oder Valencia James, die als farbige Frau, als in Ungarn „fremd“ empfundener Körper, diese Ablehnung thematisiert. Die Choreographin Adrienn Hód dagegen verweigert sich einer Beschreibung von äußeren Umständen in ihren Arbeiten komplett und zeigt ihre Tänzer als entfesselt, entgrenzt handelnde Individuen.

Wollen Sie ein Bewusstsein schaffen für eine andere Seite Ungarns?
Knut Geißler: Mich interessieren Kulturräume. In diesem Sinne wäre es auch möglich gewesen, Ungarn aus der Slowakei oder Ungarn aus Rumänien mit in das Programm zu nehmen. Aber Ihre Frage weist in die entscheidende Richtung: Ich wollte eben jenen politisch etwas verfemten Staat Ungarn näher beleuchten. Über Menschen, die ihn auf eine andere, auf ihre Weise repräsentieren. Das heißt nicht, dass Politik dadurch ausgeblendet sein wird. Es wird viel zu erfahren sein, es lässt sich vieles hören und manches sehen. Und es wird jederzeit möglich sein, nachzufragen.

Nach welchen Kriterien haben Sie das Festival kuratiert? Gab es besondere Schwerpunkte?
Knut Geißler: Niemand kann ein Experte für dutzende von Ländern sein. Kuratieren ist so ein Angeberbegriff, ich sehe mich eher als Programmmacher. Im besten Fall kann ich Interesse wecken und Angebote schaffen. Ich bin schlicht neugierig und beharrlich, und versuche bei meinen Recherchen offen zu sein. Ich möchte lernen, entdecken – und diese Entdeckungen teilen. Ich glaube an gute, mutige, interessante Künstler und ihre Arbeiten. Und an ein Publikum das sich für sie interessiert.

26 Jahre Off Europa, 16 Länderschwerpunkte – worauf blicken Sie zurück?
Knut Geißler: Zuletzt waren es zehn Länderschwerpunkte hintereinander, das ist schon ziemlicher Wahnsinn. Von einem Sehnsuchtsland sofort hinein in den nächsten Tunnelblick. Ich bin sehr froh, dass sich die Szene der zeitgenössischen darstellenden Kunst, mit Live Art und Autorentheater, Performance und Tanz im internationalen Maßstab in den letzten Jahren so stark entwickeln konnte, dass Vernetzung und Austausch gut funktionieren. Und dass wir mit diesem speziellen Festival auf dieser Landkarte weiterhin vorkommen.

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